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Wir brauchen Zahl, Maß und Gesetz, um nicht vom Chaos verschlungen zu werden.
( Oskar Schlemmer )


Ruth Klausch

stand 1945 in Berlin als junge Frau inmitten der Trümmer der Nazigesellschaft und der kriegszerstörten Stadt vor der Aufgabe, ihrem erwachsenen Leben eine Richtung zu geben und, prosaischer, etwas zu essen und zum Heizen zu finden und Geld zu verdienen. Im Herbst 1945 fand sie ihre erste Anstellung bei dem Kunstwissenschaftler Dr. A. Jannasch in einer Abteilung des Berliner Magistrats, die sich mit der Rückführung ausgelagerter Kunst und der Organisation der ersten öffentlichen Kunstausstellungen nach dem Krieg befaßte. Es war damals noch möglich, im britischen Sektor zu wohnen ( was nicht unerheblich für ihren späteren Lebenslauf war ) und im russischen zu arbeiten; die erste größere Ausstellung mit internationaler Beteiligung, an der die erwähnte kleine Abteilung mitarbeitete, fand 1946 unter der Federführung der französischen Besatzungsmacht statt.

Durch ihre weitere Arbeit bei Dr. Jentsch, der sich um den Wiederaufbau des Deutschen Werkbundes bemühte, kam Ruth Klausch erstmals mit konstruktivistischem Gedankengut in Berührung. Diese Vereinigung, 1907 gegründet, hatte sich die Qualitätsverbesserung von handwerklichen und industriellen Produkten zum Ziel gesetzt und vertrat einen neuen Baustil. Die theoretische Formulierung dieser neuen Positionen und die entsprechende Lehre ist in Deutschland mit dem Namen des Bauhaus verbunden. Ihre Grundgedanken: daß ästhetische Anforderungen als konstitutive Elemente in die Entstehung aller Industrieprodukte einzugehen haben, und daß Schönheit und Funktionalität keineswegs Gegensätze darstellen, sondern sich gegenseitig bedingen – finden ihre Entsprechung in der Kunstrichtung des Konstruktivismus, die ihre Motive und Figuren mathematisch gesetzmäßig entwickelt, um auf dieser formal strengen Grundlage die Freiheit des Ausdrucks und der Reflexion zu finden, die der künstlerischen Suche eigen ist.

In den fünfziger Jahren, nunmehr mit Familie in Hamburg, konnte Ruth Klausch konsequent damit beginnen, ihren eigenen künstlerischen Ideen Gestalt zu geben. Sie studierte an der damaligen Kunstschule Alsterdamm Geometrische Komposition bei M.H.Mahlmann und Siebdruck bei K.F.Ehlers. Die lange Reihe ihrer Ausstellungen, u.a. im Rahmen der GEDOK (Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen), begann 1962 mit der Teilnahme an der Großen Kunstausstellung Berlin am Funkturm; ihre Aufnahme in den BBK (Berufsverband Bildender Künstler) erfolgte 1974 an ihrem neuen Wohnort Göppingen. Seit 1979 lebt sie in Langenhagen bei Hannover.

Trotz gelegentlicher gegenständlicher Arbeiten ist Ruth Klausch ihr ganzes Künstlerleben lang dem konstruktivistischen Stil treu geblieben. Bestimmte Grundelemente der Komposition, bestimmte Formen und deren Entwicklung aus geometrischen Problemstellungen finden sich in ihren Bildern immer wieder, aber die gleiche Figur in den gleichen Abmessungen kann ganz unterschiedliche Formen annehmen.

Von verschiedenen Ausgangspunkten her lesbar, entwickeln sich manche Bilder zu einer Diskussion komplexer Daseins- und Beziehungsformen oder zu einer Kontroverse gegensätzlicher Prinzipien. Und die mathematischen Verhältnisse werden zur Grundlage kämpferischer Aufregung, spielerischen Witzes, harmonischer Ausgeglichenheit. Manche Bilder werden in ihrer formalen Vielschichtigkeit, in den delikaten farblichen Zwischentönen immer neuer Übergänge, in ihren sich überlagernden und gegeneinander laufenden Bewegungen zu perfekten meditativen Medien, die den Betrachter jeden Tag auf’s Neue einladen und mitnehmen.

© finis artis
Nachdruck nur mit Quellenangabe

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