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Horst Vogel

Homers Apotheose

Horst Vogels grafisches Werk entwickelt sich seit 1989 parallel zur Anlage des Skulpturengartens in Son Paulo auf Mallorca. Die Zusammengehörigkeit zeigt sich nicht nur im Auftreten gleicher Themen, Figuren und Elemente in beiden Bereichen, sondern auch in erstaunlichen technischen Korrespondenzen: Ritzungen und farbige Linien im Felsboden sowie zwischen einzelnen Objekten gespannte Schnüre finden sich als eher grafische Ausdrucksmittel im Garten; auf der anderen Seite nehmen die Papierblätter räumliche Verhältnisse und Größenordnungen zwischen den entsprechenden Elementen des Gartens als konstruktive Grundlagen.

Die Besonderheit und Originalität dieses Werkes ist darin zu sehen, daß der Künstler von Anfang an – d.h. in einem Zeitraum von 17 Jahren – sein eigenes Produkt immer wieder neu interpretiert und das immer gleiche Blatt immer wieder neu bearbeitet hat. Die dazu erforderliche Technik hat er im Laufe dieser Zeit erfunden. In der reifen Arbeitsphase der letzten fünf bis sechs Jahre besteht sie darin, das Blatt in einem jeweils erreichten Zustand kopieren zu lassen und auf der Kopie weiter zu arbeiten. Zum Übermalen dienen weiche Buntstifte, und die vorhandene Schicht wird durch Schaben und Ritzen verändert.

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Am Anfang der Arbeit stehen gegenständliche Darstellungen mythischer Figuren und Szenen, die zu einem wesentlichen Teil einem im Britischen Museum vorhandenen antiken Relief namens Homers Apotheose sowie einem Text Goethes entstammen, der dieses Relief diskutiert. Im Laufe der Zeit wandelt sich die in der Antike beginnende Reflexion über die Kunst und die Welt in ein modernes, komplexes Sinngefüge, in dem antike Elemente mit christlichen und mit wichtigen Denkern der Moderne kommunizieren.

Die Darstellung des Blattes ist dabei mehrfach zwischen den Polen des Gegenständlichen und des Abstrakten hin- und hergewandert. Dem aufmerksamen Betrachter erschließen sich die Figuren und Gesichter nach einiger Zeit des Schauens; einmal angezogen, kann er in einer unerschöpflichen Vielfalt von Begegnungen und Transformationen umherschweifen, in der alles mit allem in Beziehung tritt. Die lange Zeit der Arbeit an diesem Blatt findet eine Entsprechung in dem Eindruck, Elemente aus der Tiefe des Bildes auftauchen und sich in Situationen und Verhältnisse an der Oberfläche einfügen zu sehen.

Die Entdeckungen und Anregungen sind bei jeder Betrachtung wieder neu und anders; eine heitere Grundstimmung verdankt sich vermutlich dem Gefühl, daß alles seinen Platz findet in einem dichten Geflecht immer wieder neu zu knüpfender Beziehungen, ohne daß eine bestimmte Lesung und eine bestimmte Ordnung andere ausschließen oder einschränken würde.

© finis artis
Nachdruck nur mit Quellenangabe

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